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Artenvielfalt braucht großflächige nutzungsfreie Wälder

Experten fordern bei Tagung in Ebrach mehr große Naturwälder

07.10.2025

Renommierte Fachleute aus Deutschland und Österreich vermittelten im
Rahmen der Ebracher Tagungsreihe „Naturerbe Buchenwälder“ des BUND
Naturschutz (BN) spannende Einblicke in das verborgene Leben einiger
Waldarten. Der voll besetzte Saal im Klosterbräu zeigte das starke Interesse
der BürgerInnen. In Buchenwäldern nimmt die Artenvielfalt ab einem Alter
von 200 Jahren stark zu, wenn Höhlen, Ritzen und viel Totholz entstehen.
Hochspezialisierte Arten brauchen flächige alte Wälder, weil es nur dort sol-
che „Lebens-Nischen“ in der notwendigen Anzahl, Nähe und Qualität gibt.
Bei Insekten kann das eine große Mulmhöhle im dicken Baum sein, bei lang-
sam wachsenden Flechten ein uralter Kronenast oder bei Pilzen morsches
Holz einer bestimmten Zersetzungsphase sein. Oft können diese Arten nicht
weit wandern und sterben in den jungen Wirtschaftswäldern aus. Der Ar-
tenreichtum alter Wälder verschwindet, weil in Bayern Laubwälder über 160
Jahre nur noch auf etwa 2 % der Waldfläche vorkommen. Richard Mergner,
Landesvorsitzender des BN, erklärte: „95 % der Naturwälder Bayerns sind
kleiner als 50 Hektar und damit zu klein, um die Lebensraumansprüche an-
spruchsvoller Waldarten zu erfüllen. Wir brauchen nicht nur „Mini-Tritt-
steine“, sondern auch große nutzungsfrei Wälder, die sich natürlich entwi-
ckeln können. Der BN hält deshalb am Nationalpark Steigerwald und Bio-
sphärenreservat Spessart fest. Diese Schutzkategorien sind die höchsten
Auszeichnungen für Wälder und wir hoffen, dass diejenigen, die diese Wald-
gebiete bewirtschaften, dies als große Anerkennung ihrer naturnahe Wald-
bewirtschaftung begreifen.“ BN-Waldreferent Ralf Straußberger fasst zu-
sammen: „Artenvielfalt im Wald braucht mehr Raum und Zeit“. Auf einer Ex-
kursion zum Naturwald Kleinengelein wurden riesige dicke Buchen bewun-
dert, die über 45 m hoch und über 120 cm dick werden.


Holzbewohnende Pilzarten schaffen Lebensraum für andere Arten


Pilzexperte Dr. Max Zibold von der Universität Bayreuth referierte über holz-
bewohnende Pilzarten, die ihren eigenen Lebensraum zu Humus abbauen. Die
Arten brauchen unterschiedliches Totholz nebeneinander: stehend oder lie-
gend, dick oder dünn, besonnt oder beschattet - je dicker, desto artenreicher.
Einige brauchen 100 Kubikmeter Totholz pro Hektar - in deutschen Wirt-
schaftswäldern finden sich durchschnittlich nur 10 bis 20.


Flechten sind hervorragende Bioindikatoren für gesunde Umwelt


Auch Flechten leiden unter dem Verschwinden alter Wälder. Zudem machen
ihnen Luftverschmutzung und hohe Stickstoffeinträge den Garaus.
Empfindliche Flechten sind Zeiger für saubere Luft. Sie leben jetzt alle zurück-
gezogen in großen Naturwäldern, so Flechtenexperte Prof. Roman Türk i.R.
von der Universität Salzburg.


Alles oberirdische Leben basiert auf unterirdischen Nahrungsnetzen


In Buchenwäldern gibt es mehr als 2000 Bodenlebewesen. Bodenökologe
Prof. Stefan Scheu von der Universität Göttingen erklärte, dass es Bakterien,
Springschwänze, Regenwürmer und Co sind, die den Boden und damit die
Bäume gesund halten. Alle fressen etwas anderes, viele davon Pilze. Die Ar-
tenvielfalt nimmt in Waldlücken mit 30 Metern Durchmesser ab, kann sich
hier aber erholen. Bodenverdichtung durch Maschinen schädigt längerfristig.


Amphibien brauchen wilde Wälder


Wilde Wälder mit natürlicher Dynamik sind reich an Strukturen, wie Wurzel-
tellern und liegendem Totholz. Sie bieten Nahrung, Verstecke und halten
Wasser in der Fläche. Der Biologe Ulrich Meßlinger: Biber schaffen Lebens-
räume für unzählige Arten und kostenlosen Hochwasserschutz. In Kleingewäs-
sern von Bibern leben viele Amphibien, auch Gelbbauchunken. Gefahren für
Amphibien, wie verbaute Quellen, eingesetzte Fische, Forststraßen oder ge-
schädigte Bäche sollten reduziert und Wasser im Wald gehalten werden.


Wälder geschlossen halten, damit die Bäume sich wehren können


Auch holzbewohnende Käfer bauen Holz ab, es entstehen Humus und Nist-
plätze für Vögel. In Bayern sind 17 % der Käferarten ausgestorben, 29 % vom
Aussterben bedroht bis gefährdet. Käferexperte Hans Mühle plädierte für ge-
schlossenere Wälder sowie mehr Totholz und ältere Wälder. Waldränder soll-
ten nicht gemäht werden: Blüten bieten Nahrung für viele Insekten. Bäume
können sich unter guten Bedingungen wehren und erholen. Kontraproduktiv
ist oft die Entnahme von Eichenprachtkäfern befallener Bäume, weil dadurch
viele Lücken entstehen, wodurch die anderen Bäum geschwächt und leichter
von Käfern befallen werden.


Fledermäuse brauchen Naturwaldstrukturen


Bechsteinfledermäuse sind sehr standorttreu und brauchen vielen Baumhöh-
len, die sie traditionell jahrzehntelang nutzen. Mopsfledermäuse leben unter
abstehender Rinde oder in Ritzen. Sie wechseln, wie Bechsteinfledermäuse,
diese Quartiere regelmäßig und benötigen viele solcher Altwald-Strukturen.
Beide europaweit geschützte Waldfledermäuse leben auch im Steigerwald.
Fledermäuse lassen sich übrigens nicht umsiedeln.


Für Rückfragen: Ulla Reck, BN und Freundeskreis Nationalpark Steigerwald