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Ökologische Krisen – Wo bleibt die Vorsorge der Politik?

Von einer guten Politik erwarten wir nicht nur ein gutes Krisenmanagement, sondern auch eine vorausschauende Vorsorge. Ein Diskussionsbeitrag unseres 2. Vorsitzenden Erich Spranger.

22.04.2020

Ehrlich gesagt hatte ich auch keine Pandemie auf dem Schirm. Ob die Bundesregierung und die Staatsregierung den Ernst der Lage zu spät erkannt haben, kann ich kaum beurteilen. Allerdings gibt es viele Bereiche, in denen zwingend eine Vorsorge nötig wäre, um zukünftige Krisen zu vermeiden oder gering zu halten, also sozusagen die Kurve flach zu halten. Teilweise bestehen hier auch Zusammenhänge zur Coronakrise. 

Im Bereich der Pflege fällt zunächst einmal auf, dass alle die Arbeit der Pflegekräfte anerkennend und lobend hervorheben. Aber die in den letzten Jahren immer wieder kehrenden Forderungen nach angemessener Bezahlung der pflegenden Menschen blieben weitgehend ungehört.

Risiko Antibiotikaeinsatz

Ebenfalls im Bereich der Medizin stellen Multiresistenzen von Bakterien gegen Antibiotika ein immer größer werdendes Problem dar. Als Ursachen gelten eine nicht sachgemäße Anwendung von Antibiotika in der Medizin und der tonnenweise Einsatz von Antibiotika in der Intensivtierhaltung. Vom BN fordern wir schon seit Jahrzehnten eine naturverträgliche Landwirtschaftspolitik ohne Massentierhaltung. Leider vergebens. Die durch die hohen Antibiotika-Gaben in der Tierhaltung entstehenden multiresistenten Bakterien können auf verschiedene Wege auf den Menschen übergehen. Die Zahl der Todesfälle durch antibiotikaresistente Bakterien wird übrigens alleine in Deutschland mit über 2000 pro Jahr angegeben. 

Das Paradebeispiel für mangelnde Vorsorge ist sicherlich der Klimawandel. Hierüber wurde in den letzten Tagen schon öfters geschrieben. Die Auswirkungen des Klimawandels wird die Menschheit an den Abgrund bringen. Sie werden alle bisher da gewesenen Krisen in den Schatten stellen. Doch die Regierungen der letzten Jahrzehnte haben weltweit bei diesem Problem leider versagt.

Artenschwund bedroht Netzwerk des Lebens

Ein weiteres Thema, das nun auch schon wiederholt öffentlich in Zusammenhang mit den Coronavirus gebracht wurde, ist die Artenvielfalt. Durch die Zerstörung der Natur, das Vordringen in unberührte Lebensräume, die Ausbeutung der Natur, die Verarmung unserer Artenvielfalt und durch eine industrialisierte, die Kontinente überschreitende Fleischproduktion steigt das Risiko von Infektionskrankheiten, die von Tieren auf den Menschen übertragen werden. Die Artenvielfalt nimmt jedoch immer schneller in immer dramatischeren Ausmaßen ab, auch in Deutschland. Auch hier fehlt der politische Wille den Ursachen wirksam entgegen zu wirken. Bei den Ursachen für das Artensterben stehen an erster Stelle die eingesetzten Gifte in der Landwirtschaft, die Ausräumung der Landschaft, der Flächenfraß und auch der Klimawandel. Wir sind als Lebewesen nicht getrennt von dieser Welt und stehen ihr gegenüber, sondern wir sind Teil der Welt, Teil des großen Netzes des Lebens. So bedroht uns der Artenrückgang grundsätzlich. Auf welche Weise und wann sich zeigen wird, wie dramatisch dieses immer lückiger werdende Netz für uns ist, wissen wir nicht. Sicher ist jedoch, dass wir so wie bisher in puncto Artensterben nicht weiter machen können ohne unsere eigene Existenz in Frage zu stellen.

In Bayern haben wir Bürger*innen mit dem Volksbegehren Artenvielfalt selber die Initiative ergriffen, um der Landespolitik auf die Sprünge zu helfen. So wurde das gesetzlich vorgeschriebene Ziel von 20% Bioanbaufläche bis 2025 und 30% bis 2030 beschlossen. Momentan sind wir bei ca. 10%. Derzeit ist nicht zu erkennen, dass die Staatsregierung willens und in der Lage ist die neuen gesetzlichen Vorgaben auch umzusetzen.

Atomkraft und Vorsorgeprinzip unvereinbar

Auch bei der Atomkraft wären Gedanken zur Krisenprävention dringend angebracht. Wäre der Schutz der Gesellschaft ernst genommen, worden so hätten wir nie Atomkraftwerke bauen dürfen. Bis heute besteht die Gefahr von Unfällen in den Atomkraftwerken. Nach heutigen Maßstäben wäre keines der in Deutschland noch laufenden Atomkraftwerke genehmigungsfähig. Von Anfang an war unklar, wohin mit dem Atommüll. Eine verantwortungslose Politik!

Wo bleibt Gesundheitsschutz bei der Luftreinhaltung?

Ein Paradebeispiel für fehlende Gesundheitsvorsorge ist auch die Luftverschmutzung. Auch dieses Thema zieht sich durch die letzten Jahrzehnte. Laut einer aktuellen Studie können in Deutschland im Jahr 2018 80.000 vorzeitige Todesfälle auf die Ursache Luftverschmutzung u.a. durch Dieselruß und Kohleverbrennung zurückgeführt werden. In der EU sind es insgesamt 400.000 und weltweit jährlich 4,5 Millionen.

Eine Schwächung der Lungenfunktionen durch Luftverschmutzung macht auch anfälliger für das Covid 19-Virus. Auffällig ist, dass dort, wo die Corona-Epedemie besonders ausgeprägt war bzw. ist, auch die Luftverschmutzung besonders hoch ist. Das trifft für Wuhan, Oberitalien, Madrid und New York zu. Damit ist jedoch noch kein ursächlicher Zusammenhang nachgewiesen.

Die Luftverschmutzung ist aber nicht die einzige krank machende Ursache, die aus unserer Art des Wirtschaftens entspringt: Trinkwasserverschmutzung, Bodenvergiftungen, Lärmbelastungen, Schadstoffe und Rückstände in Lebensmitteln (z.B. Pestizide, Antibiotika), radioaktive Belastungen, Mikroplastikverseuchung. Auch hier gibt es viele Bereiche, in denen die Politik nicht ihrer Vorsorgepflicht gegenüber den Bürger*innen nachkommt. Wir brauchen eine prinzipielle Änderung unseres Wirtschaftens hin zu Nachhaltigkeit.

Fazit

Die Politik handelte in den letzten Jahrzehnten überwiegend fahrlässig, was die Vorsorge im Hinblick auf Krisen betrifft. Kein Weitblick, eher klein klein, eine auf bestimmte Klientel ausgerichtete und teils populistische Politik. 

Zum Schutz und Erhalt unserer Lebensgrundlagen brauchen wir einen Wandel in der Politik. Wir hoffen auf eine neue politische Dynamik. Das ist sicher eine der Chancen, die in der Coronkrise liegen.

In gewisser Weise erstaunlich ist, dass gerade CDU/CSU von der Corona-Krise bisher in den Umfragewerten so stark profitiert. Die Politik der letzten Jahrzehnte hat drohenden Krisen, insbesondere unsere Lebensgrundlagen betreffend, nicht erkannt. Sie beschäftigt sich nicht damit und ergreift allenfalls kosmetische Maßnahmen zur Lösug. Aber gerade die Union hat die Politik in den letzten Jahrzehnten maßgeblich gestaltet.  

Klimakrise, der Artenschwund und weitere ökologsiche Heruasforderungen erfordern ein ebenso entschiedenes Handeln wie bei der Corona-Pandemie. Deshalb fordert der BUND Naturschutz die Entscheidungsträger*innen in Politik und Wirtschaft dazu auf, jetzt die Weichen zu stellen für eine naturverträglichere, vorsorgende und gleichzeitig krisenfestere Wirtschaft und Gesellschaft. Konkrete Forderungen hierzu finden Sie unter anderem in einer Mitteilung unseres Landesverbandes, die Sie hier lesen können.