Starke Haltung gegen Atomkraft
Zum 38. Mal jährte sich die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl, und zum 13. Mal hatte die grüne Stadträtin und Landtagsabgeordnete Ursula Sowa zur Gedenkveranstaltung an der Tschernobyl-Schildkröte am Regnitzufer bei der Europabrücke eingeladen. Als Veranstalterin hält Sowa Jahr für Jahr an dem Gedenken fest und muss feststellen, dass es Jahr für Jahr immer noch notwendig ist, „bis man endlich weltweit gelernt hat, dass Atomenergie nicht unsere Zukunft bedeuten kann.“
Nanne Wienands, Grünen-Politikerin aus Wunsiedel und Mitinitatorin der Skulptur einer schutzlos auf dem Rücken liegenden Schilkröte, ist seit 2011 bei den Gedenkveranstaltungen dabei. Sie mahnte, dass wir auch heute auf einem „atomaren Pulverfass“ leben, und zeigte ihre Erschütterung darüber, dass bei den Wiederaufbauplänen für die zerstörten Gebiete in der Ukraine bereits wieder mit Atomenergie geplant werde.
Wolfgang Grader, grüner Stadtrat und Bezirksrat, nahm auf die Symbolkraft der Schildkröte Bezug, „die für lange Lebensdauer, für die Fähigkeit zur Anpassung und für Geduld, Ausdauer und Weisheit steht“. In Zeiten, in denen es ein Zurückfallen in die überholt geglaubte Atomenergie gebe, sei es ihre Botschaft „nicht in Panik zu verfallen, sondern dem Gegenwind standzuhalten“.
Vier Vertreter:innen der ‚Bamberger Grünen Jugend (GJ) verkörperten die Generation, die bereits nach Tschernobyl geboren wurde. So etwa Teresa Kressel, Vorstandsmitglied bei der GJ, welche die Suche nach einem Endlager für den Atommüll thematisierte – ein massives Problem für alle Generationen der Zukunft. Ihr Kollege Jonas Langlotz kann sich an die Katastrophe von Fukushima erinnern, die ihn nach seinen Worten sehr geprägt hat. Er hält auch heute noch eine starke Anti-Atom-Bewegung für notwendig und dass die Jugend am Prozess für eine Endlagersuche wirksam beteiligt wird. Leonie Pfadenhauer las aus dem Vorwort des berühmten Romans „Die Wolke“ von Gudrun Pausewang, in dem gefragt wird, was die Gesellschaft aus Tschernobyl gelernt hat. Elias Leikeb las aus Swetlana Alexijewitschs Buch „Tschernobyl – Eine Chronik der Zukunft“. Darin erinnert sich ein Minsker Wissenschaftler am Institut für Kernernergie, wie er 1986 als einer der ersten auf die hohen Strahlenmesswerte aufmerksam wurde, in seinem Freundes- und Bekanntenkreis herumtelefonierte und warnen wollte, aber niemand ihm glaubte.
Die Bamberger Kandidatin von Bündnis 90/Die Grünen für die Europawahl, Michaela Reimann, lenkte den Fokus auf die Europäische Union, wo 12 der 27 Mitgliedsstaaten Atomkraftwerke betreiben – „insgesamt 100 Anlagen, das ist ein Viertel aller weltweit betriebenen Anlagen“. Sie warnte vor der trügerischen Hoffnung auf neue Mini-Reaktoren, die überhaupt erst 2045 technisch zur Verfügung stehen könnten, „und damit viel zu spät, um auf die Klimakrise zu reagieren“. Klar verurteilt Reimann die knappe Entscheidung des Europaparlaments, Atomkraft als nachhaltige Energie einzustufen und damit hohe Fördermittel für Forschung zu ermöglichen. „Das ist der falsche Weg: Atomenergie ist Vergangenheit, nicht Zukunft!“ Immerhin hofft sie auf Österreich und Luxemburg, die gegen diesen Beschluss vor Gericht ziehen wollen.
Lissy Dörfler-Christa vom Bund Naturschutz zeigte sich schockiert darüber, dass derzeit in Bayern eher Rückschritt als Fortschritt bei der Energiewende zu beobachten sei. Scharf kritisierte sie eine Doppelmoral, wenn die CSU-Regierung einerseits einen bayerischen Endlagerstandort von vorneherein ausschließe, andererseits aber Windkraft wegen einer Verschandelung der Landschaft blockiere.
Für Luca Rosenheimer, Kreisvorsitzender der Grünen Bamberg-Land und Sprecher der Grünen Oberfranken, markiert die Katastrophe vor 38 Jahren aber auch als einen „Ausgangspunkt für Hoffnung“, denn viel habe sich wegen Tschernobyl hin zu alternativen Energien und hin zu dezentraler Stromversorgung bewegt. Seine Zuversicht ruht auf einer „starken Bürgerwegung, die weder das Risiko Atommüll und noch das Risiko Reaktorunfalls akzeptiert“.