Strullendorf: „Naturschutz Ade!“ sobald persönliche Interessen im Spiel sind?
Was ist der Weidengraben und was ist an diesem Gebiet so besonders?
Beim „Weidengraben“ in Zeegendorf handelt es sich um ein kleinstrukturiertes, ökologisch wertvolles und sensibles Gebiet, das von Buchenwald umgeben ist. Es liegt am Fuß des Albtraufs. Quer durch das Gebiet fließt der junge Zeegenbach, der Kalksinterablagerungen aufweist. Zentral
befinden sich mehrere naturnahe Quellbereiche, die abhängig von den Niederschlägen sporadisch schütten. Das abwechslungsreiche Gebiet besteht aus artenreichen Magerwiesen, Hecken, Feldgehölzen, Buchenwald und dem Zeegenbach und bietet so Lebensraum für viele teils gefährdete Tierarten. Dazu gehören z.B. Feuersalamander, Zauneidechsen, Ringelnattern, Fledermäuse, die Haselmaus sowie viele verschiedene Insektenarten, darunter Hornissen und Hirschkäfer. Insgesamt mehr als 40 Vogelarten konnten die angrenzenden Anlieger in dem kleinstrukturierten Gebiet nachwiesen. Aufgrund der Lage im „Naturpark Fränkische Schweiz“, des umliegenden Landschaftsschutzgebiets und des in unmittelbarer Nähe liegenden FFH-Gebiets „Albtrauf von Dörrnwasserlos bis Zeegendorf“ ist das auch kein Wunder: Denn Natur kennt keine Grenzen. Die floristisch-vegetationskundliche Ausstattung ist vielfältig. Viele der Flächen zählen nach § 30 BNatschG/Art. 23 BayNatschG zu den besonders geschützten Biotopen. Dies hat der Bund Naturschutz bei einer kurzen Bestandsaufnahme Mitte 2021 festgestellt.
Soll dieses einzigartige Gebiet bebaut werden?
Der in den 60er Jahren aufgestellte Bebauungsplan für den Weidengraben sieht neben Reihenhäusern einen Badeteich, einen Supermarkt, ein Hotel und Pensionen vor. Auch wenn der Bebauungsplan innerhalb der letzten 55 Jahre nicht umgesetzt und das Gebiet nicht erschlossen wurde, so ist er noch immer rechtsgültig. Freilich herrscht darüber Einigkeit, dass der Plan nach heutigen städtebaulichen Standards nicht mehr realisiert werden kann. Deshalb drängen die heutigen privaten Eigentümer auch auf eine Änderung, sodass der Plan zeitgemäßen Standards entspricht und mit Einfamilienhäusern und Doppelhaushälften realisiert werden kann. Doch hat es schon damals viele Gründe gegeben dieses Gebiet nicht zu bebauen, weshalb der B-Plan auch nie geändert wurde. Der Naturschutz soll schon damals eine entscheidende Rolle gespielt haben. Mit dem Konsens die Bebauung dieses Gebiets nicht weiter zu verfolgen, verstaubte der Bebauungsplan fast 50 Jahre lang im Archiv der Verwaltung. Erst als 2016 eine Erbengemeinschaft auf den Bebauungsplan
aufmerksam wurde, dessen Erblasser über erhebliche Grundstücksanteile im Plangebiet verfügte, brachte eine Bauanfrage den Bebauungsplan wieder auf die Tagesordnung des Gemeinderats. Dieser hat sich mit dem Thema umfassend beschäftigt und kam Ende 2019 zum richtigen Beschluss den alten Bebauungsplan ersatzlos aufzuheben und damit für Rechtssicherheit zu sorgen, so wie es auch der Flächennutzungsplan aus 2006 vorsieht.
Werden einfach Tatsachen geschaffen?
Währenddessen sind im Gebiet seit einigen Jahren Eingriffe in die Natur zu beobachten, die aus Sicht einer normalen Nutzung nicht verständlich sind. So wurden junge Gehölze auf 6200 m² „vorsorglich“ zurückgeschnitten und eine steile Wiesenfläche aufgedüngt. Soll durch diese Eingriffe die Natur zerstört werden, um den Weg für einen Bebauungsplan zu ebnen?
Die prominente Erbengemeinschaft und die Verzögerungen durch den Gemeinderat
Zwischenzeitlich wurde bekannt, dass sich unter der Erbengemeinschaft die Familie der bayerischen Staatsministerin Melanie Huml (CSU) befindet. Auch ein Gemeinderat der CSU-Fraktion ist persönlich an einem Grundstück im Plangebiet beteiligt. So scheint der Beschluss der ersatzlosen Aufhebung des B-Plans der Erbengemeinschaft und der ihr mittlerweile angeschlossener Opportunisten jedoch so
zu missfallen, dass erheblicher Druck auf den seit der Kommunalwahl 2020 neu zusammengesetzten Gemeinderat ausgeübt wird. Dieser hat sodann auf Antrag der CSU-Fraktion das Aufhebungsverfahren im Juni 2020, mit teils abenteuerlichen Begründungen („Der neue Gemeinderat müsste sich erst einarbeiten“), gestoppt.
Auch der spätere Antrag der Opposition das Aufhebungsverfahren wieder aufzunehmen wurde durch den Bürgermeister nicht nur ein Jahr lang zurückgehalten und erst im März 2022 behandelt, sondern ebenfalls durch einen Gegenantrag der CSU-Fraktion abgelehnt. Die so herbeigeführten Verzögerungen führen dazu, dass das Aufhebungsverfahren des Bebauungsplanes bis heute nicht vollzogen wurde.
Mit der Brechstange zum Ziel: die Bauanträge der Erbengemeinschaft und der CSU-Umweltfrevel
Die Erbengemeinschaft scheint derweil die Geduld zu verlieren und will vorsorglich Fakten schaffen. So wurden mittlerweile drei Bauanträge eingereicht, die die mageren Festsetzungen des B-Planes aus den 60er Jahren erfüllen. Die Erschließung will die Erbengemeinschaft auf eigene Kosten durchführen, was die Gemeinde und das Landratsamt in Zugzwang bringt, denn über einen rechtsgültigen Bebauungsplan darf sich eine Behörde nicht hinwegsetzen - auch wenn er zwei Generationen alt ist.
So wurde vom Gemeinderat Ende Februar zunächst eine Veränderungssperre für 2 Jahre erlassen, die nicht hätte knapper beschlossen werden können: mit 10:9 Stimmen war der Bürgermeister als Abweichler die entscheidende Stimme für die Veränderungssperre, während der Rest der CSU-Fraktion eklatant den Weg für die Bauanträge freimachen und den Naturschutz dadurch völlig aushebeln wollte. Auch wenn die Veränderungssperre zunächst die Bauanträge zurückstellt, so ist der
Lebensraum im Weidengraben vor Zerstörung kaum gefeit: Nachdem ein Gemeinderat der Opposition zur CSU gewechselt ist, bestimmt sie nun mit absoluter Mehrheit die Vorgänge in der Gemeinde. Für den Erhalt von Natur und Heimat ist das keine gute Nachricht.